In der selbstdokumentarischen Praktik des trans* Vloggens mit Testosteron entstehen Zeitlichkeiten, die entgegen einem ersten Eindruck keine eindeutigen geschlechtlichen Entwicklungen vorzeichnen, sondern ungewiss und labil bleiben.1 Das zeigt sich besonders an den (un)gewissen Zukünften und (un)möglichen Zukünftigkeiten, wie sie sich in dezidiert unterschiedlicher Weise – bedingt durch sowie mit unterschiedlichen Effekten auf prekarisierte Leben – in den Videos von itsGOTtobegroovy (Kapitel 2) und gorillashrimp (Kapitel 1) realisieren. Mit meiner Perspektive auf die digital-medial-hormonellen Zeitlichkeiten der trans* Vlogs als Testo-Techniken konnte ich der bisherigen Forschung zu trans* Vlogs eine Dimension hinzufügen, die den Einsatz der Vlogs in und mit einer Transition gerade in dieser medialen Anordnung anders fasst. Anstatt auf ihre Funktionen der Selbstherstellung und der Community-Bildung zu fokussieren, schlage ich vor, sie als komplexe Gefüge zu fassen, die sich aus Begehren, Wünschen, sozialen Beziehungen, Technologien und Techniken und nicht zuletzt dem Testosteron formieren. In ihrer Komplexität und Dynamik entziehen sich diese Gefüge der Kontrolle.
Wenn ich die besondere Verletzlichkeit von trans* Leben in heteronormativen, cis-sexistischen und rassistischen Gesellschaften betone, steht dies nicht im Widerspruch zu einem in den Vlogs festgestellten emanzipatorischen Potenzial. Dieses Potenzial erschöpft sich jedoch nicht, wie bisher regelmäßig angenommen wurde, in einer selbstbestimmten und kontrollierten Herstellung des eigenen vergeschlechtlichten Körpers und damit einer relativen Autonomie von besagten Diskriminierungs- und Ausschlussmechanismen. Im Gegenteil entfalten die trans* Vlogs mit Testosteron ein queeres emanzipatives Potenzial, gerade insofern sie die Transition trotz fehlender Kontrolle affirmieren. Es ist entscheidend, dass in den Vlogs Unsicherheiten und Zweifel im Transitionsprozess artikuliert werden, ohne die Notwendigkeit, das geschlechtliche Werden und die damit verbundenen Begehren heteronormativ und zweigeschlechtlich zu stabilisieren.
Als Empfindungs-Vlogs (Kapitel 4) richten sie Möglichkeiten des Empfindens ein, sowohl auf Vergangenheiten als auch auf Zukünfte bezogen, wobei diese Einrichtung gerade keine teleologische Zurichtung, sondern sich vielfach durchdringende Sedimentierungen meint. Die (un)möglichen Zeitlichkeiten bleiben in ihren Ausdehnungen, Faltungen und Verschlingungen offen, erfahren Queerungen, sodass affektive wie zeitliche Widersprüche und Differenzen in Transitionen den jeweiligen Veränderungsprozess nicht aufs Spiel setzen, sondern vielmehr konstitutiv für ihn sind. Negative Affekte der Enttäuschung und Ungeduld, der Sorge sowie Depressionen haben darin ebenso einen Platz wie – und das unterscheidet sie fundamental von dokumentarischen Praktiken der medizinisch-therapeutischen Institutionen – Freude und Zufriedenheit – nicht trotz, sondern auch angesichts der Unsicherheiten und Ungewissheiten. Diese Unsicherheiten betreffen auch die Herstellung von Männlichkeiten, die mit Testosteron als Medium (Kapitel 3) eher herausgefordert als bestätigt werden. Die trans* Vlogs ermöglichen die Vorstellung einer Zukünftigkeit als trans* und mit Testosteron – sei sie auch noch so ungewiss und von Zweifeln und Sorgen begleitet.
Was aber, wenn die Zweifel zu der Überzeugung führen, die geschlechtliche Transition und die vorgenommenen angleichenden Maßnahmen wie Hormonbehandlungen oder Operationen seien ein Fehler gewesen? Was, wenn auf die Zweifel die Feststellung folgt, dass das eigene Trans*sein ein Irrtum war und nicht (mehr) auf das geschlechtliche Sein zutrifft?
Manche Menschen, die ihr geschlechtliches Werden als Transition erfahren (haben), beschreiben den auf eine solche Erkenntnis des Irrtums folgenden Prozess als Detransition. Sie brechen die mit der Transition zusammenhängenden Maßnahmen ab, verändern unter Umständen erneut den Namen und/oder die Pronomen und streben juristische wie körperliche Veränderungen an, die – entsprechend der sprachlichen Logik der Vokabel Detransition – eine zeitliche Umkehrung implizieren, die die Effekte einer Transition entziehen und sie damit sozusagen rückgängig machen soll.2 Und ebenso, wie viele trans* Vlogger ihre Transition selbstdokumentarisch auf YouTube aufzeichnen, setzen sich auch Vlogger_innen mit einem Abbruch dieses Prozesses auseinander und dokumentieren dabei gleichermaßen die Veränderungen des Körpers im Verhältnis zu Testosteron sowie Beweggründe und Effekte der Entscheidung, es abzusetzen.3
In den vergangenen Jahren tauchen Reportagen und Berichte über Menschen, die ihre Transitionen unterbrechen oder abbrechen, verstärkt auch in journalistischen Medien auf.4 Gerade deshalb, weil trans* Lebensweisen noch immer vornehmlich in stereotyper Weise Repräsentation erfahren, ist diese mediale Präsenz von Zweifeln an der eigenen Transition in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:
Zum einen berichten diese Beiträge von einer weitaus höheren Zahl von afab (assigned female at birth, bei Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesenen) Personen, die ihre Transitionen hinterfragen, als im Vergleich dazu amab (assigned male at birth, bei Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesenen) Personen.5 Das hebe ich deswegen hervor, weil trans* Männlichkeiten erst seit wenigen Jahren überhaupt in einer gewissen medialen Breite Sichtbarkeit und Wahrnehmung erfahren und die schnelle Zunahme der Berichte von Transitionsabbrüchen damit einen signifikanten Anteil dieser trans* Erfahrungen auszumachen scheint. Zudem ist gerade auf YouTube die Sichtbarkeit von trans* Männlichkeiten vergleichsweise groß. Als Grund für eine steigende Anzahl der Personen, die eine Transition mit Testosteron unterbrechen oder abbrechen, wird gerade auch ein intensiver Austausch mit anderen trans* Personen auf sozial-medialen Plattformen und darunter eben YouTube lanciert: Dort entstünden trans* affirmative Peer-Groups, die über die Darstellung von vor allem trans* Männlichkeiten als begehrenswerte Körperlichkeiten junge afab Personen dazu verführten, diesem vermeintlichen ›Hype‹ zu folgen und ebenfalls eine Transition anzustreben.6 Der Wunsch nach einer Transition begründe sich diesen Positionen zufolge nicht im eigenen Trans*sein, sondern im sozialen Druck des online Freund_innenkreises oder auch einer »›sozialen Ansteckung‹« (›social contagion‹).7 Entsprechend sei die Enttäuschung über die Effekte einer Transition und der Wunsch, diese bald wieder rückgängig machen zu wollen, unausweichlich.
Zum anderen stehen die Berichte über solche vorgeblich verführerischen und als Modeerscheinung, sogar als Ideologie begriffenen Transitionen aufgrund sozialer Abhängigkeiten oft im Zusammenhang mit Debatten darum, wie aus medizinisch-therapeutischer Sicht auf das von Kindern und Jugendlichen geäußerte Trans*sein oder das Begehren trans* zu leben, reagiert werden sollte. Auch in diesen Auseinandersetzungen geht es, wie in den Vlogs, ganz fundamental um Zeit: Im Streit um das vorgebliche Wohl des Kindes steht die Legitimität des Einsatzes von sogenannten Pubertätsblockern zur Diskussion, die die geschlechtliche Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen verzögern und damit körperliche Veränderungen aussetzen können, die zu einer Geschlechtsdysphorie beitragen und damit Lebensqualität mindern können. Für viele trans* Aktivist_innen stellt diese Option eines hormonellen Aufschubs von körperlichen Veränderungen eine immens wertvolle Intervention dar. Manche Mediziner_innen sehen in diesem Aufschub jedoch gerade die Verhinderung einer geschlechtlichen Erfahrung, die überhaupt Grundlage sei, sich der eigenen geschlechtlichen ›Identität‹ gewiss zu werden. Transitionen würden zu leichtfertig vollzogen und andere Optionen, einer (geschlechtlichen) Dysphorie therapeutisch zu begegnen, vorschnell ausgeklammert. Die geschlechtliche Transition mit Hormonen und Operationen sei ein vermeintlich (zu) einfacher Weg.8 Die Selbstdokumentationen und Selbstauskünfte von detransitionierenden Personen, von denen in der Tat manche davon berichten, dass sie ihre Dysphorie rückblickend betrachtet mitunter auch in der Erfahrung von sexualisierter Gewalt oder anderer Traumata begründet sehen statt als Merkmal von Trans*sein oder Trans*leben, werden in diesen Zusammenhängen oftmals als Beweis einer vermeintlich vorschnellen und letztlich scheinbar falschen Selbsterkenntnis bzw. ›Diagnose‹ als trans* angeführt.
Über diese Rahmung der Detransition als Ausdruck einer vorangegangenen Fahrlässigkeit deutet sich eine Diskursverschiebung in Diskussionen um geschlechtliche Selbstbestimmung an: So wird Geschlecht hier erneut als eine ›Wahrheit‹ angerufen, die es in ihrer Gewissheit und Kohärenz zu befragen, zu erforschen und zu (er)kennen gelte. Denn erst die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit des zweifelsfreien Kennenmüssens bedingt ja, dass man überhaupt ›falsche‹ Entscheidungen treffen kann, die sich nur als ungenügende Selbstbefragung oder manipulative Beeinflussung durch andere erklären lasse. Dieser Wahrheitsanspruch geht oftmals mit der Annahme einer strikten Trennung und Vorgängigkeit von sex als ›biologischem‹ Geschlecht gegenüber gender als Geschlechtsidentität einher. Durch diese Setzung eines naturalisierten, ›wahren‹ Geschlechts werden Auseinandersetzungen um die Anerkennung von Detransitionserfahrungen anschlussfähig für LGBTIQ-feindliche Positionen und transphobe bzw. sogenannte trans*-exkludierende Feminismen (terf steht für trans exclusive radical feminism). Terf-Positionen beharren auf biologistischen Zugehörigkeiten zur Kategorie ›Frau‹ und behaupten, trans* Männlichkeiten seien Verrat am Feminismus und Unterwerfung unters Patriarchat, trans* Weiblichkeiten seien Spioninnen desselben und eine vermeintliche Gefahr für weibliche Schutzräume. Entsprechend werden in Terf, sich selbst meist radikalfeministisch bezeichnenden, Aktivismen Detransitionen aus einer trans* Männlichkeit heraus besonders begrüßt. Deren biologistische Annahme lautet, man könne eine Transition buchstäblich rückgängig machen und damit das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht, das als ›biologisches‹ und damit eigentliches und authentisches betrachtet wird, wiederherstellen bzw. dahin zurückkehren.
Die vielfältigen und in der Tat zahlreichen Selbstdokumentationen von Detransitionen auf YouTube – und nicht nur dort – sind eine eigene Untersuchung wert. Im Sinne der hier angestellten Überlegungen wären sie hierbei ebenso selbstverständlich als Ausdruck geschlechtlicher Selbstbestimmung zu verstehen wie die versammelten trans* Erfahrungen. Entgegen instrumentalisierten und instrumentalisierenden Darstellungen von Detransitionserfahrungen möchte ich vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse die These aufstellen, dass sich in den transphoben, biologistischen Konstrukten nicht zuletzt eine zeitliche Simplifizierung vollzieht: Die Behauptung einer möglichen Umkehrbarkeit von Transition oder auch einer ›Rückkehr‹ in das ursprünglich zugewiesene Geschlecht reproduziert das lineare Narrativ geschlechtlicher Veränderung, wie es aus (juristischen und medizinischen) institutionellen Zwängen bekannt ist. Eine teleologische Zeitlichkeit bindet die soziale Verstehbarkeit (Intelligibilität) von trans* Leben an ein kohärent und konsistent erzähltes und gelebtes Geschlecht und verkennt damit die Vielfalt von trans* Erfahrungen. Die von mir für die Transitions-Updates festgestellten queeren Zeitlichkeiten hingegen können die unterschiedlichen und mitunter auch widersprüchlichen Erfahrungen einer Detransition als Erfahrung eines geschlechtlichen Werdens einschließen. Ebenso wie die im vorherigen Kapitel argumentierte Funktion der Vlogs, auf eine Vergangenheit Bezug nehmen zu können, ohne sie dabei als abgeschlossene hinter sich zu lassen, ist diese Vergangenheit auch im Modus der Detransition nicht vollendet. Vielmehr wirken die Potenziale einer (un)sicheren Zukunft und (un)möglichen Zukünftigkeit in einer Detransition weiter fort. Entsprechend ambivalent können die affektiven Bezugnahmen und das Erleben dieses Werdens sein, ohne diese Ambivalenzen automatisch als Ausdruck eines im besten Falle rückgängig zu machenden Fehlers zu begreifen.
Gerade der Aspekt des Bereuens wird vor allem dann herangezogen, wenn die geschlechtliche Selbstbestimmung insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingeschränkt werden soll. 2010 erschien der doku-fiktionale Film Regretters über das geschlechtliche Werden zweier zur Zeit der Aufnahme über 60-jähriger Personen, die ihre trans* Erfahrungen sowohl bereuen als auch sich mit dieser arrangieren.9 In Nicole Kandiolers Auseinandersetzung mit dem Film erscheint das »Bereuen selbst […] als widerständiger Modus«.10 Dieser ergebe sich aus dem »Prozess eines Nachdenkens, einer Auseinandersetzung, die nicht zu Ende ist«.11 Interessanterweise taucht dieser Film 2019 auch auf YouTube auf, in einem Kanal hochgeladen, der sich »We need to talk« nennt und auf dem allein dieser Film als einziger Upload zur Verfügung steht. Der Titel des YouTube-Videos ist dabei noch mit einem Untertitel versehen und lautet dort: »Ångrarna (AKA Regretters) [2010] – Swedish Detransition Documentary«.12 Die Beschreibung des hochgeladenen Videos ist in mehrfacher Hinsicht irreführend: Zum einen beansprucht der Film für sich einen dokumentarischen Modus, der allein bereits Anlass für Diskussionen bietet. Die Personen vor der Kamera sind zwar die Personen, deren Erfahrungen im Film geschildert und buchstäblich mit weiteren Dokumenten, Fotos, bebildert werden, jedoch sind sie für ihre Teilnahme am Film als Schauspieler bezahlt worden. Zudem basieren ihre Dialoge auf einem Theaterstück, das wiederum auf Basis ihrer Schilderungen entstanden ist und dem Film in verschiedenen Aufführungsmodi vorausgeht. Die im Film aufgeworfene Frage nach einer Authentizität von Geschlecht verbindet sich mit der Auseinandersetzung um den Anspruch des Dokumentarischen, Authentizität autorisieren zu können. Hinzu kommt, dass die Ergänzung um den Begriff der Detransition im Untertitel des Uploads insofern problematisch ist, als die Protagonist_innen gemeinsam mit dem Film zur Diskussion stellen, inwieweit ihre Erfahrungen und Transitionen überhaupt als Praktiken eines Trans*seins beschrieben werden können und wollen. Der Untertitel verengt also die im Film entfalteten affektiven Widersprüche und die Widerständigkeit des Erlebens und Bereuens.
Die Entscheidung für geschlechtsangleichende Maßnahmen und spätere Zweifel an der Richtigkeit daran thematisieren manche Vlogger_innen auch noch in anderen Modi als dem eines (widerständigen) Bereuens. Sie beschreiben die jeweiligen Transitionserfahrungen zwar als etwas, dass rückblickend für sie nicht das realisiert hat, was sie sich vorgestellt oder erwartet hatten – Erkenntnisse, die sich auch für die Transitions-Updates bereits feststellen ließen. Aber selbst dort, wo die Entscheidungen im Rückblick auch ein Bereuen bedingen, sind die affektiven Verstrickungen mit diesen Erfahrungen ungleich komplexer, widersprüchlicher und meist ebenfalls mit Freude, Zufriedenheit und Zuversicht verbunden. Und manchmal sind Detransitionsentscheidungen schlicht als pragmatischer, selbstbewusster Anspruch auf Selbstverständlichkeit formuliert, so bei Dylan C im Video What Detransitioned Women Want:
I would like people to stop insisting that I understand my transition as a thing I regret. Because I don’t. I don’t regret that I did it, I just decided to stop. You know, it’s like selling a car ’cause you moved to the city. It’s like – it’s not that I regret the time I spent driving, I just, I don’t need it anymore.13
Auf affektiver wie zeitlicher Ebene haben Transitions- und Detransitionserfahrungen in den selbstdokumentarischen Vlogs mehr gemeinsam als sie trennt. In der Auseinandersetzung um die Anerkennung unterschiedlicher Erfahrungen eines geschlechtlichen Werdens mit Einsatz von Hormonen und/oder Operationen wird der Begriff der Detransition jedoch oft auch verwendet, um im Anschluss an rechte Rhetoriken vermeintlich bisher nicht sagbare Wahrheiten und Empfindungen gegen die als hegemonial behauptete Diskursmacht von angeblich normierenden trans* Aktivismen Gehör zu verschaffen. Im vorgeschobenen Anspruch, Personen vor irreversiblen Entscheidungen zu bewahren, werden therapeutische Maßnahmen eingefordert, die nicht nur (weiterhin) einer geschlechtlichen Selbstbestimmung entgegenstehen, sondern zudem auch Trans*sein mit Hinweis auf ›biologische‹ Geschlechtlichkeit grundsätzlich diskriminieren – es wird eine naturgegebene Hierarchie zwischen cis und trans installiert.
Statt also erneut Geschlecht als zeitlich kohärent und konsistent auszuweisen, wäre es doch ebenso denkbar, die Vorstellung von Trans*sein zu erweitern und Geschlecht in seiner Inkongruenz lebbar zu machen. Denn wie meine Analysen der trans* Vlogs zeigen konnten, sind die erlebten Werdensprozesse der Vlogger, sind die darin entstehenden Zeitlichkeiten vielfältig und gerade von Brüchen, Differenzen, Zweifeln, Widersprüchlichkeiten und Spannungen geprägt. Gerade vor dem Hintergrund von auch im deutschsprachigen Raum schärferen Angriffen auf trans* Personen und damit einhergehenden Instrumentalisierungen von Detransitionsberichten ist es hilfreich, die Erfahrungen geschlechtlicher Transitionen in ihren medialen Zusammenhängen zu berücksichtigen. Damit meine ich gerade nicht den vermeintlichen Einfluss von sozialen Medien auf die Entscheidung einzelner, eine Transition (oder eine Detransition) anzustreben. Ganz im Gegenteil möchte ich betonen, dass sich die Notwendigkeit, nun auch den Prozess einer Detransition als Ausdruck einer scheinbar so eindeutigen wie wahrhaftigen geschlechtlichen Identität legimitieren zu müssen, erst daraus ergibt, dass die komplexen Zeitlichkeiten von geschlechtlichen Transitionen bisher noch zu selten zur Kenntnis genommen werden. Wenn diese nämlich, wie die Analysen in dieser Arbeit gezeigt habe, gar nicht linear und erst recht nicht teleologisch verlaufen (können), wenn Geschlecht – zumal in Verbindung mit Testo-Techniken – immer in einem Werden begriffen ist, das nicht vorhersagbar und nicht bestimmbar oder planbar ist, vor allem dann nicht, wenn geschlechtliche und mediale Prozesse stets in einem komplexen Wechselverhältnis verstanden werden müssen, dann ist die Möglichkeit von geschlechtlicher Veränderung immer schon enthalten und die Wahrscheinlichkeit des Irrens, des Zweifelns und des Nichtwissens darin konstitutiv.
Hierbei geht es mir explizit nicht darum, ein per se geschlechterpolitisch subversives Potenzial von trans* Erfahrungen und trans* Vlogs gegen konservative Bestrebungen zu behaupten. Es geht darum, (un)mögliche Zukünftigkeiten von Transitionserfahrungen auch als mediale Effekte verstehen und das geschlechtliche Werden damit in seiner zeitlichen Komplexität wie auch seiner affektiven Widersprüchlichkeit affirmieren und leben zu können.
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