Copy to Clipboard. Add italics as necessaryZitiervorgabe: Julia Bee, »Prekäre Dokumentarismen – mediale Trans/Individuationen. Von Challenge for Change bis Wapikoni Mobile«, in Queeres Kino / Queere Ästhetiken als Dokumentationen des Prekären, hg. v. Astrid Deuber-Mankowsky und Philipp Hanke, Cultural Inquiry, 22 (Berlin: ICI Berlin Press, 2021), S. 249–75 <https:/​/​doi.org/​10.37050/​ci-22_11>

Prekäre Dokumentarismen – mediale Trans/IndividuationenVon Challenge for Change bis Wapikoni MobileJulia Bee

Abstract

In diesem Text werden zwei Film- bzw. Mediennetzwerke aus Kanada betrachtet, in denen prekäre Lebensbedingungen nicht nur thematisiert werden, sondern durch die Partizipation und Kollaboration von Filmschaffenden und Bürger*innen Handlungsmacht generiert werden soll. Challenge for Change setzte sich ab den 1960er Jahren u. a. gegen Armut ein, Wapikoni Mobile ist ein zeitgenössisches indigenes Vlog- und Filmnetzwerk. Beide Projekte werden als handlungsbasierte Dokumentarphilosophien verstanden. Sie werden mit Gilbert Simondon als mögliche Milieus für kollektive Individuationen konzeptualisiert. Challenge for Change und Wapikoni Mobile werden als technisch-sozial-ästhetische Milieus verstanden, in denen aktivistische und kulturelle Interventionen und Individuationen keinen Gegensatz bilden. Wapikoni Mobile wird zudem hinsichtlich seines Potentials für eine Filmkultur des Anthropozäns diskutiert, in der es um die Beziehung von Welt und Mensch geht, die in dokumentarischen Filmen verhandelt wird und die nicht nur abbildet, sondern ebenfalls – mit Gilles Deleuze – ein Band zur Welt knüpft.

Schlagwörter: Amateur*innenfilm; Challenge for Change; Wapikoni Mobile; indigene Medienkulturen; Individuation; Anthropozän; Dokumentarfilm

Einführendes

In diesem Text möchte ich über digitale dokumentarische Medien als Milieus für Individuationen nachdenken. Dafür soll, ausgehend von der Verhandlung prekärer Lebensbedingungen in zwei kanadischen Filmprojekten, eine Perspektive des medienphilosophischen Pragmatismus entwickelt werden.1 Dies meint nicht einfach vom Film zum Handeln überzugehen, sondern Film selbst als Weise des Werdens, als Individuation zu beschreiben.2 Die dokumentarischen Projekte verstehe ich als Milieus, die soziale, psychokulturelle und infrastrukturelle Transformationen ermöglichen können. Dokumentarische Bilder diskutiere ich dabei als direktes Handeln in der Welt, in konkretem Zusammenhang mit Projekten soziokultureller Selbstrepräsentation. Diese werden u. a. durch digitales Kuratieren von einem Medium der Selbstrepräsentation selbst zu einer digitalen Trans/Individuation. Mir geht es nicht darum zu fragen, was Dokumentarfilmnetzwerke auf welche Weise abbilden, sondern in einer methodischen Verschiebung zu fragen, was sie machen: Was sind mögliche Effekte in der Welt, wie wird mit Medienproduktionen (und nicht in ihnen) gehandelt. Dazu betrachte ich zwei Filminitiativen: Challenge for Change wollte im Kanada der 1960er bis 1980er Jahre gesellschaftlichen Wandel durch Film unterstützen; Wapikoni Mobile ist eine webbasierte Plattform für die Distribution und Entwicklung indigener Filmkulturen. Wapikoni Mobile ermöglicht gleichzeitig Vielfalt und Kollektivität durch die Infrastruktur der digitalen Plattform im Medium auszudrücken und kann den Blick von der Identität und Repräsentation zur Individuation verschieben.

Wapikoni Mobile – von Praktiken der Selbstrepräsentation zu medialen Individuationen

In Walk with my Spirits, einem Kurzfilm auf Wapikoni Mobile, stellt der Modedesigner Tyler Jacobs seine Kleidungsstücke vor und rahmt diese als Crossdressing und »two-spirit«.3

Eine kurze Synopsis begleitet das Video: »Dancer and fashion designer Tyler Jacobs asks us to tag along on his journey to reclaiming his two-spirit heritage and knowledge.« Jacobs interpretiert Squamish-Kleidung u. a. durch Pailletten, synthetische Materialien und Farben neu und führt diese auch in einer Choreographie für die Kamera auf. Der Begriff reclaiming in der Synopsis verweist auf die Aneignung des Begriffs two-spirit als nichtbinäres Gender.

In einem anderen Kurzfilm auf Wapikoni Mobile, Niish Manidoowag (Two Spirited Beings),4 spazieren drei Teenager in einem Wald und erzählen dabei von ihrer Identität als two-spirit.5 Diese Art von Coming-out-Filmen findet man auch auf YouTube.

Durch den semiprofessionellen, künstlerischen Rahmen der Produktion wird hier besonders deutlich, dass es auch um eine Auseinandersetzung mit dem Medium Film geht und durch die gemeinsame Arbeit am Film eine Reflexivität durch das Medium auf sich, Kultur und Geschichte stattfindet. YouTube schließt dies nicht aus, Filme auf Wapikoni Mobile spitzen die Auseinandersetzung aber thematisch auf kulturelle Genealogien und die Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Positioniertheit zu und unterstützen dies mit Filmworkshops und Postproduktion in einem mobilen Studio. Zudem ist Wapikoni Mobile an künstlerischer Professionalisierung und damit der Möglichkeit der Gestaltung indigener Filmkultur interessiert, die Filme sind nahezu alle aus Workshops entstanden, die mit dem Wapikoni Mobile-Team umgesetzt wurden. Indem nicht nur frontale, im Selfie verwendete Naheinstellungen, sondern long takes einer Kameraperson, atmosphärische Momente, poetisches Voiceover, Musik und Gesang eingesetzt werden, wird im oben angesprochenen Beispiel auf ästhetisierende Weise an einem Selbst/Porträt gearbeitet. Es geht in beiden Filmen um eine sehr bewusst künstlerisch stattfindende Reflexion, etwa wie im hier erstgenannten Beispiel auf die kulturelle Interpretation eines präkolonialen Begriffs von queerem Begehren und nichtbinärem Geschlecht. Diese künstlerischen Interventionen im Medium des Dokumentarischen lassen sich als Weise verstehen, Kultur nicht nur medial zu vermitteln, sondern auch zu »tradieren« und in der »Vermittlung« gleichzeitig Infrastrukturen für Kollaboration, Austausch, interkulturelle Kommunikation und intergenerationelle Genealogie entstehen zu lassen. Vermittlung oder Selbstrepräsentation führen so in einem medienphilosophischen Sinne zu Transformationen, beides widerspricht sich nicht. Kultur und Vermittlung sind so nicht unabhängig zu denken, wie immer, wenn wir über Dokumentationen sprechen.

Noch stärker jedoch ist dies eine technisch-soziale Ausgangslage: Wie ich im Folgenden argumentieren möchte, führt die Performanz der dokumentarischen Medien einerseits und jene der Selbstrepräsentation andererseits zu einer technisch-sozialen Trans/Individuation im digitalen Milieu von Wapikoni Mobile. So wird der Blickwinkel von der Repräsentation zu einer prozessualen und technisch-ästhetisch-sozialen Individuation verschoben.

Wapikoni Mobile ist eine digitale Film-Plattform mit Sitz in Montréal, welche durch ein mobiles Studio First-Nations- und Inuit-Filmschaffen fördert und Filme vor allem online distribuiert.6 Wapikoni Mobile ist dabei in eine Reihe kollaborativer Filmprojekte einzuordnen, die den Blick von außen auf indigene Gruppen in eine selbstbestimmte Medienpraxis umgewandelt haben.7 Wapikoni Mobile hat einen lokalen Schwerpunkt in Kanada, aber auch in anderen Regionen der Welt entstanden durch lokale Kooperationen und Initiativen Kurzfilme und Porträts von über 45 Gruppen aus 11 Nationen. Ein mobiles Team aus Filmschaffenden reist seit 2004 durch Kanada und produziert mit einem mobilen Schnittstudio Kurzfilme in Kollaboration mit lokalen Akteur*innen. In (z. T. mehrwöchigen) Workshops entstehen essayistische, dokumentarische, experimentelle und animierte Filme, deren Fokus die Selbstrepräsentation von Inuit und First Nations, deren Kultur, Probleme und Kosmologien sind. Wapikoni Mobile arbeitet mit 76 Gruppen aus 14 verschiedenen Ersten Nationen in Kanada und Nordamerika. Aktuell sind über 1295 Kurzfilme und 817 musikalische Aufnahmen öffentlich auf der Plattform zugänglich.

Kooperiert hat die nichtkommerzielle Organisation u. a. mit dem NFB (National Film Board of Canada / L‘Office National du Film du Canada). Sie lässt sich in eine Reihe von Initiativen zur Förderung von Amateur*innen- und Dokumentarfilmen einbetten, die historisch gesehen Film als Ausdruck von kultureller Identität in Kanadas Mehrkulturalität aufgefasst haben. Der kollaborativ mit Filmschaffenden und Pädagog*innen produzierte Kurzfilm fungiert als Medium kultureller Selbstrepräsentation, aus dem eine an indigenen Belangen orientierte Öffentlichkeit und Medienkultur entsteht.8 Wapikoni Mobile besteht aus mobilen Workshops, die ein Filmnetzwerk bilden und kann so als dynamisches, wachsendes Medium kulturellen Selbstausdrucks beschrieben werden. Filminteressierte werden durch das mobile Team technisch unterstützt und in Workshops in Kamera und Schnitt ausgebildet. Daraus entstehen meist Kurzfilme, die eine Person und/oder ein räumliches und kulturelles Umfeld repräsentieren. Die Länge der Filme ist an die Netzwerkumgebung angepasst und spiegelt eine durch soziale Medien geprägte Filmkultur wider. Dabei ist der Grad der Professionalisierung z. T. hoch und es werden starke ästhetische Positionen vertreten. Zahlreiche Filme werden bei Festivals gezeigt und haben auch professionelle Karrieren unterstützt, etwa des Filmemachers Réal Junior Leblanc.9

Die Öffentlichkeit von Wapikoni Mobile kreiert eine Gelegenheit, ja eine Proposition, sich zu medialen Techniken, zu Film und Videoästhetiken und letztendlich zu dem, was man zeigen will, mit audiovisuellen Ausdrucksformen in Beziehung zu setzen. Was will ich zeigen? Was macht mein Leben, meinen Alltag, meine Kultur aus? Welche Philosophien und Kosmologien kann Film transportieren?

Die Filme beziehen sich auf Ästhetik, Kultur und die eigene Biografie. Die Medien Kurzfilm und Essayfilm wirken hier potentiell rückbezüglich und können zu einem kulturellen oder individuierenden Prozess beitragen, den ich noch genauer ausführen werde. Die eigene künstlerische dokumentarische Arbeit wird so Teil der medialen Aushandlung dessen, was Kultur und wer man selbst »ist«. Sie unterstützt aber auch neue Ästhetiken und Weisen, audiovisuelle und digitale Medien als soziokulturelle und aisthetische – auf die Wahrnehmung bezogene – Form der Weltbeziehung zu nutzen. Filmarbeit kann so zu einem Werden und weniger zu einer starren Repräsentation des Selbst beitragen. Darauf komme ich im letzten Teil dieses Textes zurück.

Die Gestaltung von Wapikoni Mobile mit thematischer Zuordnung, Kommentarfunktion und Verlinkung ist vergleichbar mit YouTube oder Vimeo (eine Plattform, auf die teilweise auch verlinkt wird), hat sich jedoch spezifisch dem Zweck verschrieben, First-Nations- und Inuit-Filmkultur durch Amateur*innen eine Plattform zu geben. Es handelt sich um kein algorithmisch gesteuertes, nichtsdestotrotz aber digitales Kuratieren, unter der Verwendung von Begriffen, Serien oder Reihen. Die Filme erscheinen nicht referenzlos, sondern sind in Synopsen mit Bezügen und Texten eingebettet. Durch die Bricolage aus Stilen, Themen und Medienformen wird mit über aktuell 1295 Filmen die Vielfalt und Heterogenität des Alltags von hunderten Kindern und (jungen) Erwachsenen erfahrbar10 – ohne dass diese Erfahrung als Exotisierung der Indigenität im Sinne eines Otherings erscheint. Das digitale kuratorische Konzept reflektiert hier selbst die Problematik der Heterogenität sehr unterschiedlicher Gruppen und damit Kulturen und Ästhetiken, indem durch Schlagworte Themen benannt werden. Dadurch werden übergreifende Probleme heterogener indigener Gruppen wie sexuelle Gewalt, traumatische Dekulturalisierung oder Generationenkonflikte benannt und damit als gemeinsame Themen politisierbar. Man kann sich auf sie beziehen, sie vermitteln dadurch vielgestaltige Perspektiven auf Diskriminierung, Gewalt und Prekarisierung. So verbindet das Schlagwort two-spirit audiovisuelle Arbeiten, in denen sich Menschen als LGBTQI* in einem indigenen Sinne verstehen. Der Begriff beschreibt die Lebbarkeit von Geschlecht und Begehren jenseits der Binarität in einigen Gruppen wie, im Falle des eingangs beschriebenen Films von Tyler Jacobs, den Küsten-Salish in und bei Vancouver.

Wapikoni Mobile ermöglicht durch dieses kuratorische Konzept nicht nur die Selbstrepräsentation, sondern auch die Transformation von Medienkulturen zu verdeutlichen, ja, Wapikoni Mobile ist lebendiger Ausdruck dieser Transformationen. Wapikoni Mobile grenzt sich so von anthropologischen Filmen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab, die Gruppen und Individuen mit ihren visuellen Techniken überwiegend fixierten. Dabei geht es mit dem Begriff Transformation nicht darum, dass Wapikoni Mobile Medien einführt und/oder angeblich unmedialisierte Kulturen in einem kolonialen Sinne mediatisiert, sondern Film und andere kulturelle Praktiken in einen Zusammenhang setzt. Transformation ist eher eine prozessuale Weise, Kultur und Subjektivität zu medialisieren. Im Sinne Johannes Fabians wird hier Zeitgenoss*innenschaft hergestellt, anstatt einen vormodernen Status festzuschreiben.11 Der Prozess der Produktion des eigenen Wapikoni Mobile-Beitrags und seine Gestaltung ist nicht nur eine (selbstbestimmte) Abbildung von Kultur, sondern schreibt diese und damit eben auch eine veränderte Filmkultur kreativ fort.

Challenge for Change – Film als soziale Praxis

Schon das vom NFB geförderte Programm Challenge for Change antizipierte eine Social Media-Funktion des kollaborativen Filmemachens, indem Filme zwischen Gruppen zirkulierten, um Allianzen herzustellen. Die infrastrukturellen Projekte, die mit den Filminitiativen einhergehen, haben gleichermaßen zum Ziel, Prekarität zu begegnen und mit den Mitteln von Film zu adressieren.12 Beide Projekte sind auf die Kollaboration mit lokalen Akteur*innen und Gruppen ausgerichtet.13

Wapikoni Mobile lässt sich als ebenso im filmphilosophischen Sinne pragmatisches, aktuelles Projekt im Sinne des in den 1960er Jahren installierten kanadischen Dokumentarfilmprogramms Challenge for Change deuten. Filmphilosophisch-pragmatisch meint, dass man die Philosophie des Films als Handlung verstehen kann. In diesem Fall wirkt diese prozessual und performativ auf die Gruppe und/oder Kultur zurück. In dessen Rahmen sind zahlreiche vom NFB geförderte Sozialdokumentationen entstanden, Filme mit und von First Nations – etwa 1969 These Are my People… von der Indian Film Crew –,14 aber auch weitere kollaborative Filmexperimente mit frankophonen Gruppen in Québec. Vergleicht man Challenge for Change und Wapikoni Mobile als zwei kulturaktivistische Programme, fällt auf, dass nicht nur Wapikoni Mobile als expanded Netzwerk der früheren soziologischen Filmarbeit verstanden werden kann, sondern auch umgekehrt Challenge for Change bereits seit den 1960er Jahren Film als soziales Netzwerk zum community building kultureller und lokaler Gruppen beitragen sollte.15 Trotz institutioneller Differenzen gibt es ideelle Anknüpfungspunkte. Denn die Filme wurden nicht nur eingesetzt, um zu dokumentieren, sondern auch um Akteur*innen einer kritischen Medienkultur auszubilden,16 damit Dokumentarfilmästhetiken zu verändern und Menschen durch und um Filmprojekte zu versammeln. D. h., auch hier ging es um die Wechselwirkung von Film und Prozessen in communities.17 Bekannt sind z. B. die Filme, die auf Fogo Island in der Provinz Neufundland und Labrador entstanden sind. Hier werden der Alltag und die existenziellen Probleme von Fischer*innengruppen gezeigt, z. B. in Billy Crane Moves Away deutlich von dem wirtschaftlichen Wegfall des ersten Sektors geprägt.18 In Children of Fogo Island entsteht ein Porträt der Spiele der Kinder und jungen Erwachsenen, welches einen offensichtlich positiven Blick auf die ländliche Kultur vermitteln will.19 In den 1960er Jahren machte dieses Programm vor dem Hintergrund der Ideen und Programme der New Left Armut und Arbeitslosigkeit zum Thema. Anders als in den USA existiert in Kanada ein Sozialhilfeprogramm, für dessen Installierung in den 1960er Jahren die Dokumentation sozialen Ausschlusses als entscheidend verstanden wurde.20 Die Dokumentationen des NFB interpretieren die Realität teilweise auch durch den Blick der Akteur*innen. Im Zentrum steht dabei immer wieder die Situation von Verarmung betroffener Menschen, zu sehen in Filmen wie The Things I Cannot Change.21 Das Programm lässt sich somit in ein soziologisches Paradigma des ethnographischen Films einordnen, da es einerseits um die Darstellung einer Kultur der Armut geht, die sich in intergenerationellen Kreisläufen spiegelt, die in der Filmarbeit untersucht werden.22 Andererseits geht es um den Blick der Akteur*innen, der durch Selbstermächtigung und Kontrolle des eigenen Bildes Teilhabe durch Medienkompetenz verspricht.23 D. h., nicht die Abbildung, sondern das Durchbrechen sozialer Exklusion ist das zentrale Anliegen. Durch leichtgewichtige Kameras können Filmpraktiken an Amateur*innen vermittelt werden, wie es in Bonnie Sherr Kleins VTR St-Jacques geschieht:24

People on the St-Jacques committee use the video equipment supplied to them by the NFB to clarify their own positions on issues that affect them, to enable them to approach people on the street, and to generate interest – and possibly a larger membership – in their group.25

Challenge for Change förderte bereits Filme von First Nations Gruppen,26 ein Themenbereich, den Wapikoni Mobile mit den nordamerikanischen Gruppen Inuit und First Nations explizit zu einem Schwerpunkt erklärt hat.

Auf der Plattform von Wapikoni Mobile finden sich zahlreiche Filme, die Gewalt, soziale Exklusion und intersektionale Oppressionen schildern, etwa die hohe Rate verschwundener und ermordeter First Nation Frauen, auf die Jerilynn Webster mit dem Musikvideo The Most Unprotected Girl aufmerksam macht.27 Der 13-jährige Cree David Coon-Come, der in der Gemeinde Mistissini lebt, berichtet für den Kurzfilm My Box seiner Schwester, der Regisseurin Allison Coon-Come, vom Mobbing in seiner High School;28 Merrill Lemaigre schildert auf essayistische Weise in Just Merrill von seinem*ihrem Umzug vom Land in die Stadt und wieder zurück sowie zugleich von seiner*ihrer Transition.29 Blocus 138 – La Résistance Innue von Réal Junior Leblanc dokumentiert die Protestaktionen angesichts der Errichtung eines hydroelektrischen Damms.30 In diesen sehr heterogenen Beispielen wird Film Ausdruck biografischer und individueller Vielfalt ebenso wie alltäglicher Repressionen und Ausschlüsse. Wapikoni Mobile-Filme zeigen aber auch in ihrer Form, dass der kulturelle Selbstausdruck hochgradig politisiert ist und im Film fortgeschrieben wird. Statt über Selbstrepräsentation Identitäten festzuschreiben, kann ein Film die Selbstverortung prägen und sie in eine andere Form überführen. Film wirkt hier als Medium von Transformationen – und zugleich als Wissensspeicher und stetig wachsendes, bewegliches Archiv. Etwa werden Filme genutzt, um Sprachen und orale Traditionen als zentralen Bestandteil indigener Kultur zu archivieren und zu vermitteln, so etwa in dem Film Innu Aiminan (Speak To Us In Innu) in dem Inuit-Kinder durch Protestaktionen einfordern, in der Schule Innu zu lernen und zu sprechen.31

Das NFB hat nicht nur eine lange Tradition von Dokumentation als staatlich subventioniertes und sozialpolitisches Programm begründet, u. a. durch den Dokumentarfilmer und ersten Direktor des NFB John Grierson, sondern auch in verschiedenen Programmen Film als soziale und kulturelle Technik des Selbstausdrucks von Filmamateur*innen zu verstehen gegeben: Kurz, was hier deutlich wird, ist ein Vertrauen in filmische Medien als Vehikel des Wandels und der soziokulturellen Praxis. Gerade in Québec hat dies aufgrund der Mehrkulturalität eine lange Tradition, und Filme aller Kulturen werden aktiv in die Festival- und Kulturpolitik eingebunden.32 Davon profitiert auch Wapikoni Mobile. Gleichzeitig lässt sich darin ein in der »Pragmatik« dieser Projekte und Netzwerke verkörpertes medienphilosophisches Argument anführen, welches ich weiter unten genauer betrachten möchte.

Viele Filmproduktionen des NFB, auch Challenge for Change, sind in diesem teils regionalen kulturpolitischen Sinne zu verstehen. Ähnlich wie The Children of Fogo Island sind es Pierre Perraults und Michel Braults Pour la suite du monde und andere Filme, die den Tonfilm für sich zu nutzen wussten, um das Québécois als marginalisierte Sprache zu inszenieren und das cinéma vécu als ihr Sprachrohr zu erschaffen.33 Die »freie indirekte Rede« Québecs,34 die Deleuze als minoritären Sprechakt bezeichnet, wie er auch Pierre Perraults Filme neben denen von Jean Rouch ins Zentrum seines Kapitels zu den Mächten des Falschen in Das Zeit-Bild stellt, ist Teil der Stillen Revolution im Québec der 1960er Jahre, die das wachsende Selbstbewusstsein der Kultur und des Québécois-Französisch gegenüber dem europäischen Französisch, aber auch gegenüber den anglophonen Kanadier*innen bezeichnet.35 Aus dem Sprechakt wird in Deleuze’ Lesart ein Akt der kollektiven Subjektivierung.

Challenge for Change könnte man auch kritisch als ein nationales Programm verstehen, in welchem nicht nur eine Mehrstimmigkeit an Repräsentationen gefördert, sondern angesichts eines so großen, des zweitgrößten Landes der Welt, auch eine Art Zusammengehörigkeit durch Filmkommunikation und filmische Teilhabe hergestellt wird. Die Filme nehmen so am nation building teil. Oben genannte Filme aus Labrador und Neufundland stammen etwa aus Regionen, die z. T. erst 1949 (wieder) an Kanada angeschlossen wurden.

Kanada gilt zwar heute häufig als Vorbild in der Förderung indigener Kultur, dies sollte aber nicht über die lange Geschichte der Verschleppung und Umerziehung von First Nations-Kindern in sogenannten foster homes als Maßnahme gezielter intergenerationeller Traumatisierung und Dekulturalisierung hinwegtäuschen36Willie Dunns Filmessay und Musikvideo The Ballad of Crowfoot thematisiert dies etwa als Collage von found footage, und ist ebenfalls im Rahmen von Challenge for Change entstanden.37 Auch zahlreiche Filme auf Wapikoni Mobile wie L'enfance déracinée (Uprooted Generation) knüpfen daran an und eignen sich das Found-footage-Material aus der Zeit der foster homes neu an.38 In gewisser Weise begegnet Wapikoni Mobile dieser Dekulturalisierung in seiner Medienpraxis und schafft eine Möglichkeit sich kollektiv, über Gruppen hinweg auszutauschen und Kultur im Medium Film zu stärken und zu reflektieren.

Man kann im Anschluss an die kanadische Geschichte dieser Filme des Vierten39 – indigenen – Kinos als Werkzeuge der Bearbeitung von Traumata sehen, wie es z. B. Adam Szymanski tut:40 Sie schreiben Geschichten und Biografien fort, indem sie sich in diese einschreiben und antworten so direkt auf die gezielte staatliche Umerziehung und kulturelle Traumatisierung und die bestehende Umwelt bedrohende Gewalt kanadischer Infrastrukturgroßprojekte.41 In dieser Fortschreibung und Einholung von Geschichte entstehen auch neue technisch-soziale Existenzweisen, um die es in diesem Text geht.

Bei Challenge for Change drehten u. a. ressourcenschwache Communities aus überwiegend infrastrukturarmen Gegenden Filme. Sie konnten über die Zusammenarbeit auch weitergehende Maßnahmen einführen, wie z. B. eine eigene Klinik zu organisierten. Ein berühmtes Beispiel für diese Citizen Committees ist die Arbeit von Bonnie Sherr Klein, die mit VTR St-Jacques einen Film über das Leben der Bewohner*innen in St Jacques in Montréal produzierte und diese einem weiteren Publikum zeigte. Charakteristisch war der Impetus, in einem nicht unproblematischen paternalistischen Sinn nicht nur »Gehör und Stimme zu verleihen«,42 sondern Möglichkeit zu schaffen, die Produktionsmittel – hier die Medientechnologien – durch Partizipation anzueignen.43 Es sollte Medienkompetenz durch das eigene Ausprobieren vermittelt werden, um so etwa auch die vermeintliche Objektivität von Dokumentarfilmen zu hinterfragen. Dem Soziologen und Filmemacher Fernand Dansereau, der das Programm mitgründete, ging es nicht um eine objektive Realität des Dokumentarischen, sondern dezidiert um eine »reality of the people«.44 Sie sollten ihre eigene Entfremdung in der politischen Repräsentation durch die teilweise kollaborative Produktion von Medienprogrammen überwinden können.

Wapikoni Mobile ist insofern von diesem kanadischen Vorläufer des Filmaktivismus nicht nur institutionell und durch eine viel breitere Förderung (z. T. mittlerweile über Netflix) unterschieden. Die ästhetische Praxis zielt viel mehr auf die Vermittlung von ästhetischen und technischen Grundlagen des Selbstausdrucks und der Professionalisierung, statt auf das Porträt eines Kollektivs, bei dem die externen Filmschaffenden hauptsächlich die ästhetische Praxis bestimmen. Im auf Partizipation und Kreativität angelegten Filmnetzwerk Wapikoni Mobile entstehen Stile und Genres, die sich als auf das digitale und kommunikative Milieu Wapikoni Mobile bezogene Individuationen verstehen lassen, in denen Subjektivität, aber auch ästhetische Praktiken entstehen, die sich konsolidieren und verfestigen können.

Diese Transformation von Challenge for Change zu Wapikoni Mobile lässt sich auch wie eine Geschichte des Neoliberalismus und seiner Schlagworte Individualisierung, Kreativität und staatlicher Rückzug lesen, der vom Kollektiv zur Einzelperson, von der staatlichen Förderung zu einer unabhängigeren Finanzierung übergeht. Damit einhergehend entwickelt sich eine Professionalisierung des Selbstausdrucks (in sozialen Medien), dem in spätindustriellen Gesellschaften ein immer größeres Wertschöpfungspotential zukommt. Und dennoch sind damit auch andere Weisen der Trans/Individuation verbunden, die eine andere Reichweite und Vielstimmigkeit aufweisen und damit ein spezifisches Potential haben.

Der Weg von Filmaktivismus zu einer Onlineplattform des expanded cinema erscheint technologisch naheliegend. Challenge for Change ist aber vor allem auch am künstlerischen Ausdruck und damit einem stark interventionistischen Begriff des Ästhetischen und der sozialen Praxis gewachsen. Diesen Pragmatismus teilt Challenge for Change mit einigen Filmen des cinéma vérité von Jean Rouch, der die Medialität filmischer Ausdrucksformen als subjektivierend verstanden hat und daher direkt mit Voiceover der Gefilmten oder direkter Rede in synchroner Aufnahme gearbeitet hat. Wapikoni Mobile ist nicht nur ein soziales Netzwerk für verschiedene kanadische Nationen, sondern eine Weiterführung der pragmatistischen Philosophie der »Intercesseurs« (der Mediators/Übersetzer*innen/Fürsprecher*innen): Gilles Deleuze beschreibt sie in Das Zeit-Bild als »Fabulation«.45 Dies bezeichnet eine veränderte filmische Zeitstruktur der Dokumentation seit den 1960er Jahren in der dokumentarischen Moderne, die nicht das Pro-Filmische, sondern sozusagen das Intrafilmische des Filmprozesses als Sujet selbst aufwertet. Genau dieses Moment des »ich ist ein[e] ander[e]«46 wird als Anders-werden politisch u. a. in Kanada, ästhetisch im cinéma vécu/cinéma vérité und philosophisch von Deleuze konzipiert. Fabulation meint eine filmische Neuproduktion von Kultur und Kollektivität, d. h., der Begriff bezieht sich auf Individuen, Kollektive, Techniken ästhetischer und technischer Natur. Sie lässt sich auch als individuierender Akt in engster Verfugung mit den ästhetischen und technischen Mitteln dieser Individuation beschreiben, die Deleuze vor allem aus den dekolonialen Praktiken des Dritten Kinos und des cinéma vérité/cinéma vécu entwickelt.

Im Anschluss an das cinéma vécu und Challenge for Change ereignen sich auch durch die Filme von Wapikoni Mobile Fabulationen, welche neue Identifikationen produzieren können. Diese werden etwa in dem oben beschriebenen Film von Tyler Jacobs durch two-spiritedness neu gedeutet. Jede Selbstrepräsentation ist eine performative Selbstproduktion – auch ihrer sogenannten kulturellen »Wurzeln«. Deleuze hat dies in Bezug auf Perraults Pour la suite du monde beschrieben: Das zentrale Motiv dieses ethnographischen Films, der Belugawalfang im St. Lorenz Strom, wurde im Rahmen des Films neu erfunden, das Wissen darum war verschüttet, die Praxis wurde nicht mehr ausgeübt, die wirtschaftliche Abhängigkeit war groß. So entstand Anfang der 1960er Jahre eine neue (sprachliche) Praxis für den Film, indem die alte Praxis fabuliert, also neu belebt wurde, wodurch sie sich zwangsläufig veränderte. Auch hier ist eine Rückwirkung von Film auf die gefilmte Community beschreibbar.

Diese Neuübersetzung der eigenen Genealogie – die häufig durch Kolonisierung überschrieben wurde – durch die fabulativen Sprechakte, die Deleuze interessieren, bezieht sich stets auf die Umarbeitung des Gegebenen und ist damit eine anti-essentialistische Geste. In der Figur der Individuation in Abgrenzung zu Identität möchte ich diese hier aufnehmen. Sie nimmt die medialen Umarbeitungen und stetigen performativen Akte der Produktion von Kultur als Medienkultur ernst: Der Film und die Filmplattform als Katalysator und Anlass einer neuen Bildung eines »Volkes« wie Deleuze schreibt (nicht zu verstehen als Birth of a Nation oder als völkisch!).47 Was Deleuze in seinem Kapitel »Die Mächte des Falschen« vorlegt, verstehe ich als eine Theorie der kulturellen Medialisierung und der Subjektivierung.48 Das Fabulieren wird hier zu einer genuin filmischen Technik der Subjektivierung, die ich als Individuation bezeichnen möchte, sowie der Dekolonisierung.49 Das von Deleuze im politischen und nicht im völkischen Sinne adressierte »Volk« ist hier eine Gruppe, die sich erst durch ihre Repräsentation bildet. Die Gruppe ist an die prekären Voraussetzungen ihrer kulturellen Performativität geknüpft. Die der Repräsentation eignenden komplexen sozialen, psychischen und technischen Techniken sind daher prekäre Dokumentationen ihrer selbst: Prekär meint die Weise der prozessualen Konstitution eines Kollektivs, bezogen auf ein »metastabiles« Milieu im Sinne Gilbert Simondons.50

Prekäre Dokumentationen

Individuationen von Film und Subjekten entstehen auch im relationalen Bezug auf die umgebende Welt. Auffällig ist der Bezug zur Welt oder Erde, der gleichzeitig immer wieder in den Videos auf Wapikoni Mobile auftaucht.51 Dies ist keine vorursprüngliche Beziehung, wie sie sich in Romantisierungen indigener Kultur historisch immer wieder finden lässt. Vielmehr sehe ich die dokumentarischen Bilder von Wapikoni Mobile als aktiv produzierten und nicht bloß repräsentierten Referenzpunkt zu Welt oder Erde. Neben Wapikoni Mobile als Technik der Individuation wird Wapikoni Mobile auch digitale »Naturtechnik«:52 eine Politisierung der Beziehung zur Natur, wie es Renato Sztutman über Réal Junior Leblancs Filme auf Wapikoni Mobile beschreibt: »If the earth is already tired of us, it is because we need to rejoin with it, cocompose with its subjectivity, avoiding a revolt that is fatal to us. Resuming those ties would be a recipe for resistance«.53 Für Sztutman sind Filme wie Leblancs auf Wapikoni Mobile daher eine »Kosmopolitik«, die die Verhältnisse zwischen Mensch, Natur und Technik bearbeitet.54

Auch durch andere Filme auf Wapikoni Mobile werden Bezüge zwischen Welt und selbst – was Sztutman als »ties« beschreibt – und damit das Selbst als integral medialisiert und medialisierend konstruiert, wie es Deleuze für die Neuerfindung von Kultur in seinem Begriff der Fabulation vorschlägt. Natur- und Kulturtechniken, Ritual und Film, Experimentalfilm und indigene Souveränität gehen hier neue Gefüge ein. Diese Gefüge sind stets medial, aus verschiedenen digitalen und nichtdigitalen Kulturtechniken zusammengesetzt, und daher im Sinne Simondons wechselseitig durch das Milieu hindurch gedacht: Trans/Individuationen.55

Der Bezug auf die Welt und der Bezug auf das selbst, die Selbstkonstruktionen, sind dabei nicht gegensätzlich zu verstehen, sondern so, dass sie einen Raum für Subjektivierungen aufspannen. Simondon nennt Individuation oder Transindividuation, was Deleuze wiederum als Subjektivierung versteht.56 Das Wissen darum ist in Rouchs und Perraults fabulativen Filmen der Dokumentarfilmbewegungen der 1960er Jahre verkörpert; es ist uns heute selbstverständlich geworden, wenn wir darüber sprechen, wie die Performanz sozialer Medien als Hervorbringung einer Persona funktioniert. Doch das entpolitisiert diese Techniken nur scheinbar: Dass Film nicht nur auf gesellschaftliche Transformationen abzielt, wie es im Titel von Challenge for Change angelegt ist, sondern selbst mediale Existenzweisen hervorbringt, ist dabei der shift von dokumentarischen Medien als Instrument der gesellschaftlichen Teilhabe zu digitalen dokumentarischen Medien als metastabiles Milieu von prozessualen Individuationen, wie man sie in Wapikoni Mobile beobachten kann.

Die Bezüge sind insbesondere an einem historischen Umschlagplatz wichtig, an dem sich mediale Verhältnisse auch als Weltbeziehungen verstehen lassen. Dokumentarische Medien verhandeln die Prekarität der Welt-Mensch-Beziehungen, da sie sich durch ihre Indexikalität zunächst stärker noch als fiktional gerahmte Medien auf die vorhandene Welt beziehen. Oder anders gesagt: Im Dokumentarischen wird der Bezug auf die reale Welt gerade in der Nichtmöglichkeit der objektiven und nichtfiktionalen Abbildung zum Thema. Und in Wapikoni Mobile-Filmen wird nicht nur Realität durch künstlerische Momente und Medienreflektion fiktionalisiert, sondern auch die Fiktionalisierung dokumentiert, als Medium der Subjektivierung. Darin sah Deleuze den dekolonialen Einsatzpunkt der Fabulation: Die festsetzende Wahrheit des Kolonialismus ins Wanken bringen und kein »Kino der Wahrheit«, sondern die »Wahrheit des Kinos«, wie er es im Anschluss an das cinéma vérité nennt, erschaffen.

Heute im Zeitalter des Bewusstseins der Problematiken, die mit dem Anthropozän ausgedrückt werden, ändern sich auch viel breitenwirksamer die medialen Beziehungen zur Erde. Für viele amerindische Gruppen ist dies keine Neuigkeit, denn ihre Lebensbedingungen wurden seit 500 Jahren existenziell beeinflusst und durch die Kolonisierung der Americas zerstört.57 Dass die Medien der Erde u. a. Medien des Selbstausdrucks werden, ist dabei nicht verwunderlich. In dem Wapikoni Mobile-Beitrag Ma Connexion (My Connection) ist es nicht nur die kreative Verwendung von traditionellem Gesang, sondern auch das Porträtieren von Wasser, Blättern, Wolken und der Hand, die aktiv Kontakt zu den Elementen aufnimmt.58

Für die Verhandlungen dieser Transformationen sind dokumentarische Kunstformen ein Schauplatz. Die Transformation des Medialen betrifft die Beziehung zwischen Mensch und Welt. Medien sind dabei nicht zwangsläufig vermittelnd, sondern bilden selbst Milieus für Subjektivierungen. Dieses Wissen ist nicht nur eine Meditation über das placemaking, als Ort der Subjektivierung, sondern unmittelbar Milieu und Technik der Subjektivierung, wie es Simondon mit dem Begriff der Individuation konzeptualisiert hat: Als transformative Umwelt, die selbst in Transformation ist, da sie sich mit jedem Akt der Individuation verändert. Eine prekäre Umwelt, die dennoch Konsistenz ermöglicht, gerade indem sie den Film als Mittel der Transformation und Technik von Selbst und Kultur ernst nimmt. Indem der Film zum Akteur wird, wird Änderung ein Grund, an die Veränderbarkeit von Welt zu glauben. Individuationen finden nicht in Milieus statt, sie transformieren diese. Mit seiner Idee der Intercesseurs knüpft Deleuze ebenfalls an ein Werden mit und durch Medien an: eine Serialität, die Akte der Medialisierung und der Transindividuation als kollektiven Akt miteinbezieht.59

Die ästhetische Reflektion der Bedingungen der eigenen Existenz, die Affirmation medialer Existenzweisen der Arbeiten auf Wapikoni Mobile erscheinen zuweilen als bewusst vorgenommene »Selbstdramatisierungen«.60 Gerade deshalb entwickelt diese zugleich technische, soziale, kulturelle und psychische Infrastruktur das Verständnis von Film als Netzwerk aus den vorherigen, eher an Kollektiven orientierten Programmen der 1960er weiter, ohne einfach deckungsgleich mit sozialen Netzwerken oder einfach einer anderen Distributionsform von Film zu sein. Das hohe Level an Artifizialität wie der Gebrauch von Slow Motion und die aufwendige und aussagekräftige Kleidung sowie die inszenierte Ritualität in Walk with my Spirits machen dies beispielhaft deutlich. Diese Mittel werden bewusst oder unbewusst genutzt, um sich selbst zu konstruieren und letztlich auch Pride zu demonstrieren, wie es im Film Walk with my Spirits angesprochen wird. Faye Ginsburg nennt dies »cultural positioning via the creation of new expressive forms«.61 Es lässt sich hier eine Art »Metasprache« im Sinne Ginsburgs finden, die sie in der Auseinandersetzung indigener Medienprodukte mit siedlerkolonialen Imaginationen beschreibt.62 Was Ginsburg mediation nennt, übersetzt der Anthropologe Terence Turner als anhaltende kulturelle Übersetzung im Medium des indigenen Films, der übersetzt und selbst eine Übersetzung von Kultur darstellt: »In Aboriginal media, the work is not simply an assertion of existing identity, but also a means of cultural invention that refracts and recombines elements from both the dominant and minority societies63 Im Anschluss daran kann man noch einmal unterstreichen, dass Film Transformation bejahen kann: Das prekäre Werden wird sogar zur Technik des Dokumentarischen. Der Bezug zu sich wird zu einem Beitrag im digitalen Kollektiv. Das Kollektiv wiederum – in Form von kulturellen Bezügen – wird hier auch Medium der Trans/Individuation. Trans deshalb, weil es nie nur um das Individuum oder das Kollektiv geht, sondern beides miteinander verwebt wird.

Tyler Jacobs interpretiert in Walk with my Spirits nicht nur »seine« Squamish-Kultur neu, sondern auch die Klischees der Neuinterpretation von Kultur selbst, wobei die Aneignung von Folklore selbst ja schon ein vielfach medialisiertes Bild ist.64 Er reenactet dabei nicht nur sich, sondern auch ein Ich, welches sich selbst in und trotz medial zirkulierender Stereotypen inszeniert, wie jenes des Modedesigners. Die Selbstkommodifizierung indigen gefärbter Produkte ist dabei, darauf wurde angesichts der indigenen Produktionen der 1980er und 1990er vielfach hingewiesen, natürlich nicht ausgeschlossen – dennoch ist ein Film wie dieser darauf nicht zu reduzieren.65

Digitale visuelle Anthropologie und Trans/Individuationen

Auch in einem anderen Beispiel wird dies deutlich: Jordan Gordon ist einer der zahlreichen Kinder und Jugendlichen, die sich selbst sowie ihre Umgebung in einem spielerischen Kurzfilm vorstellen.66 Häufig setzen die Jugendlichen und Kinder sich mit kulturellen Transformationen auseinander, die nicht selten auch durch Medientechnologien bestimmt sind. Dabei werden YouTube- und Musikvideoästhetiken auf das eigene Leben angewendet und verspielt und kreativ inszeniert, wie wir es bei YouTube-»Kinderstars« als microcelebrities heute häufig sehen. Dies sind Existenzweisen, die keine authentisch vorgängige Person oder Kultur abbilden, die aber auch nicht vollkommen fiktional sind – sie verweisen auf Orte und Gruppen, die tatsächlich existieren. Sie fabulieren aber auch über diese. Sie reflektieren den ubiquitären Gebrauch dokumentarischer Medien in digitalen Kulturen und übersetzen ihn – wie auch andere Gruppen und Kulturen es jeden Tag tun. Dokumentation ist hier ein Ensemble künstlerischer Techniken kultureller Selbstrepräsentation und medialer Übersetzung. In diesem Fall handelt es sich um das filmische Porträt von Kuujjuaq, einem Ort im Nordosten Québecs, der am leichtesten mit dem Flugzeug zu erreichen ist. Der Kurzfilm im Microcelebrity-Format sticht dabei durch seinen humoristischen Ton hervor. Dabei collagiert Jordan Gordon verschiedene Genres und Formate vom MTV-Format Cribs über das Roadmovie bis zu forensischen Ästhetiken à la CSI-Serien.67 Musik und künstlich aufgedrehte Farben lassen seine Bricolage als Zusammenschnitt von Musikvideos und YouTube-Vlog-Ästhetiken erscheinen. Die Aneignung dieser Formate charakterisiert Jordan Gordon als kritischen und zugleich ironischen Beobachter der Medienkultur. Seine Strategie, seinen »abgelegenen« Herkunftsort keinesfalls als ereignislos darzustellen und ihn stattdessen zu einem Ort zu machen, an dem Fernseh- und Postinternetästhetiken zusammenlaufen, verklammert fiktionale Formate und dokumentarische Ästhetiken. Dabei geraten die Medien als Techniken des Selbst und der Selbstdarstellung sowie als Gegenstand der Auseinandersetzung in den Blick. Jordan Gordon erscheint als medialer Trickster, der nicht nur sich selbst, sondern vor allem die medialen Formate darstellt, die wiederum formatierenden Charakter in vielen jugendlichen Biografien haben. Damit geraten die Medien auch als Beziehungsmilieus in den Blick, als existenzielle Konstellationen (machtvoller Art). Was hier gestaltet wird, sind nicht lediglich prekäre Existenzen einzelner, es sind vielmehr die prekären Weltbeziehungen, die im Medium des Dokumentarischen verhandelt werden. Filme wie diese beforschen (digitale) Milieus für Existenzweisen. Die Forschung geschieht hier als visuelle Anthropologie, und zwar übergegangen in die Hände derer, die vormals die längste Zeit Gegenstand der visuellen Verfahren der Anthropologie waren.

Challenge for Change antizipierte in seiner Form den Pragmatismus kollaborativer Filmprojekte als frühes Kommunikationsnetzwerk. Wapikoni Mobile wurde dieses Netzwerk, indem es in einer kuratierten Weise Kultur und deren Transformation durch eine digitale Infrastruktur aus Filmtechnik und Videochannels bereitstellt. Wapikoni Mobile verkörpert dieses Netzwerk aber umso deutlicher, indem nicht nur Selbstrepräsentationen umgesetzt werden, sondern die Medien, die Existenzen hervorbringen, als Agent*innen dieser Individuation in den Blick geraten.

Andere Initiativen wie Vídeo nas Aldeias haben diese Idee von Film als sozialem Netzwerk seit den 1980er Jahren in Lateinamerika entwickelt.68 In der Form des Videotagebuchs wurden Filme ausgetauscht, um Communities zu vernetzen und damit auch politische Allianzen zu bilden und Wissen auszutauschen, etwa bezüglich der deforestation und ökologischen Wissens.

Für Wapikoni Mobile bietet sich der Begriff Trans/Individuation an, ergänzend zu Subjektivierung, denn er vermag das Gefüge aus sozialen und technischen Aspekten zu verdeutlichen. Eine Individuation drückt sich nicht in technischen Medien aus, sie ist ein genuin hybrides Gefüge, ein Zusammenwirken und eine verteilte Agent*innenschaft. Umso eindrücklicher wird dieses Bewusstsein, welches sich in der dokumentarischen Verwendung in Videos wie jenem von Jordan Gordon ausdrückt. Denn die Verwendung medialer Gegenstände ist hier Medium der Erkenntnis, in der die dokumentarischen Medien Milieus des Werdens darstellen. Wie Simondon schreibt, sind Wissen und Sein mitunter nicht zu trennen: »Wir können die Individuation nicht im gewöhnlichen Sinne kennen, wir können nur individuieren, uns individuieren, und in uns individuieren.«69

Die Individuation vollzieht sich zugleich sozial, ästhetisch, kulturell und technisch: Genauer gesagt entsteht sie an ihren Schnittpunkten als digitale Existenzweise. Individuationen erzeugen ästhetisierte und performative mediale Personae. Die Individuation erschöpft sich nicht im Individuum oder dem präsentierten Selbstbild, sondern verändert auch den Bezug zu sich: Das filmische Porträt wird eine Technik des Selbst. Sie fließt auch in Milieus ein, etwa technische und umweltliche wie Wapikoni Mobile und prägt dort Genres und Stile. Die hier produzierten Existenzweisen lassen sich nicht vom Medium der Aushandlung ihrer Kulturen trennen. Die Medialität von Wapikoni Mobile selbst – nicht nur die Personen dahinter – versammelt Filme zu einer Weise der Trans/Individuation, in der eine soziale Ebene, die mediale Ebene, d. h. die Produktionsweise in der Öffentlichkeit und der kulturelle Rückbezug eine konsistente Einheit in Vielheit bilden.

Wapikoni Mobile lässt sich so als digitale visuelle Anthropologie beschreiben, nicht, weil es eine digitale Visualisierung von Kultur, hier indigener Nationen, meint. Vielmehr ist die Audiovisualität zu einem genuinen Part eines ineinander verzahnten Prozesses von Kultur und Medialisierung zu verstehen, welches die filmische und netzbasierte Methode der Selbstrepräsentation in die Kultur und das Selbst einschreibt. Umgekehrt werden Technologien und Ästhetiken auch angeeignet, um Kultur zu medialisieren und damit zugleich zu transformieren und zu stabilisieren, wie man im Anschluss an Deleuze und Ginsburg sagen kann. Dies geschieht sowohl im Produktionsprozess als auch in der Rezeption und dem Sich-in-Beziehung-Setzen mit anderen Gruppen und Kulturen. Die Performanz der medialen Selbstinszenierung ist auch die Hervorbringung einer künstlerischen Individuation, die sich kreativ auf sich und ihre Kultur selbst bezieht.

Abschließend: Prekäre Weltbeziehungen

Die Medialität der im pragmatistischen Sinne medienphilosophischen Projekte Challenge for Change und Wapikoni Mobile betrifft auch die Weltbeziehungen. Gerade die Performanz medialer Existenzweisen in digitalen dokumentarischen Medien wie Wapikoni Mobile lässt ein produktives Feld entstehen, um prekäre Beziehungen zwischen Selbst und Welt zu verhandeln. Prekarität lässt sich dabei im Anschluss an Judith Butler als grundsätzliche precariousness, als Bejahung der Relationalität als Angewiesen-sein-auf, Ausgesetztsein zwischen Selbst und Welt verstehen.70 In zahlreichen Filmen auf Wapikoni Mobile ist dies nicht nur Gegenstand oder Inhalt, sondern beschreibt eine prekäre Relationalität der medialen Infrastrukturen Film und Netzwerk.

Das Dokumentarische kann so nicht nur der Politisierung von Lebensweisen oder dem Sichtbarmachen indigener, queerer und trans* Leben dienen, sondern als ein Austesten von und Experimentieren mit medialisierten Beziehungen zwischen Welt und Subjekt verstanden werden. Umso politischer werden Projekte dieser Art, denn sie setzen direkt bei den Medien des Werdens an und repräsentieren nicht bestehende Identitäten oder schreiben diese fest. Dies betrifft nicht mehr allein Beziehungen zwischen Menschen, sondern auch zwischen Menschen und Welt in einem Zeitalter, welches als Anthropozän den Eingriff des Menschen in die planetarische Geologie und Atmosphäre als katastrophisch beschreibt. Das Dokumentarische mit seinem (experimentellen, interventionistischen …) Bezug zu »Welt« kann so potentiell auch ein ästhetisches Feld sein, um neue Nexus zwischen Selbst und Welt zu knüpfen. Dabei werden, wie in den hier besprochenen Beispielen, reale Räume und Existenzen sowie das Performative und Theatrale einander zu wechselseitigen Artikulationsformen. Was dramatisiert wird, ist die Beziehungshaftigkeit zwischen Welt und Selbst, die sich in einem stetigen Austausch zwischen beiden als immer autonomer werdende Medienpraktik und als Individuation verstehen lässt, die sich nicht nur auf den Filmbereich, sondern auch auf dessen Remediatisierungen in den semiprofessionellen oder Amateur*innenbereich hinein verfolgen lässt, so wie in den Wapikoni Mobile-Filmen im Anschluss an die Filmphilosophien und Filmaktivismen des cinéma vérité.

In Tyler Jacobs’ oder Jordan Gordons Fall ist die Selbstrepräsentation als kulturelles und politisches Programm zu einer Selbstinszenierung geworden, die einen filmischen Akt der Individuation als Film entstehen lässt. Viel stärker noch als in den Filmen des Programms Challenge for Change wird deutlich, dass die Beziehungen zwischen Welt und Individuationen hochgradig konstruiert sind. Als Konstruktionen sind sie jedoch nicht weniger wahr. Genau diesen pragmatischen Vorgang bezeichnet Deleuze als Glaube an die Welt: Glauben an die Verhandelbarkeit dieser Beziehungen und damit verbunden eine Aushandlung des Selbst, die formativ wird.71

Im kulturellen Diskurs des Anthropozäns, der nicht mehr nur die geologische, sondern die ökokulturellen und politischen Implikationen als radikale Transformation menschlicher Handlungsbezüge zur Welt denkt, und alle Lebensbereiche umfasst, sind neue Subjektivitäten notwendig. Dokumentarische Medien können hier Weltbezüge herstellen, nicht nur abbilden. Film in der digitalen Umgebung Wapikoni Mobile ist ein zentraler Schauplatz möglicher Kollektive, die Räume für die Subjektivitäten aufspannen und in filmische Praktiken eingelassen sind. Nicht nur deshalb beschrieb Guattari Film als »Couch des Armen«,72 also hinsichtlich seiner therapeutischen Funktion,73 sondern auch, weil Film für ihn eine Vielzahl an möglichen Subjektivierungen bereitstellt. Ganz anders haben dies Jean-Louis Baudry und andere in ihren ideologiekritischen Schriften in den 1970er Jahren gelesen. Auch hier ist Film Subjektivierung in seiner Form Produkt und Maschine des Spätkapitalismus. Die Entfremdung zwischen Menschen und Welt ist, um das entsprechende Vokabular zu benutzen, nicht rückgängig zu machen. Doch Film kann aisthetische – auf die Wahrnehmung bezogene – Positionen vermitteln, um die Positionierung des Menschen mit der Welt, nicht über ihr oder ihr gegenüber, deutlich zu machen. Diese können auch in DIY und semiprofessionellen Praktiken, in digitalen Kulturen wie auf Wapikoni Mobile angeeignet und weiterfabuliert werden. Dabei gilt es keinesfalls Medialität auszuklammern und ein »zurück zur Natur!« zu inszenieren. Vielmehr sind die Dramatisierungen medialer Bilder und Konstellationen und subjektivierende Praktiken aufs Engste verklammert: als Individuationen in einem filmischen Milieu. Dies geht über Motive von Natur_Kulturen hinaus:74 Es sind existenzielle Milieus, die sich im Film herausbilden – Andrew Goffey nennt sie in seinem Vorwort zu Guattaris Lines of Flight »existenzielle Territorien« im Anschluss an die Anthropologin und Filmemacherin Barbara Glowczewski, die die Praktiken der Weltbeziehungen in den Traumpfaden der Aborigines untersucht hat.75 Filmische Medien fungieren hier als Milieu für Gefüge zwischen Mensch und Welt – als Praktiken der Subjektivierung, die sich gerade vor der ökologischen Krisenhaftigkeit von Welt in der Verhandlung dokumentarischer Praktiken als Techniken dieser Transformation äußern. Dies kann nur als Produktion von Beziehungen funktionieren, als ein Teilnehmen an Weltwerdung durch (kollektive) Produktion von Individuation und Subjektivierungsmöglichkeiten.

Anmerkungen

  1. Gemeint ist nicht das Projekt des Semiopragmatismus.
  2. Vgl. Gilbert Simondon, »Das Individuum und seine Genese. Einleitung«, übers. v. Julia Kursell und Armin Schäfer, in Struktur, Figur, Kontur. Abstraktion in Kunst und Lebenswissenschaften, hg. v. Claudia Blümle und Armin Schäfer (Zürich: Diaphanes, 2007), S. 29–45; Gilbert Simondon, Individuation in Light of Notions of Form and Information, übers. v. Taylor Adkins (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2020).
  3. Walk with my Spirits, Regie: Tyler Jacobs (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/walk-with-my-spirits> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  4. Niish Manidoowag (Two Spirited Beings), Regie: Debbie S. Mishibinijima (Wapikoni Mobile, 2017)<http://www.wapikoni.ca/movies/niish-manidoowag-two-spirited-beings> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  5. In den letzten Jahren wurde ein präkoloniales und weitgefächertes, also durchaus auch regional und kulturell nicht zu homogenisierendes Verständnis von two-spirited restauriert. Two-spirit bezeichnet nicht für alle First Nations das Gleiche, es existiert ein sehr unterschiedlicher Umgang mit dem Begriff. Tyler Jacobs Film ist in einem Diskurs um two-spiritedness in Nordamerika zu situieren. Die Berufung auf two-spiritedness grenzt sich zuweilen auch von der Verwendung von LGBTQI* ab und verfolgt ein intersektionales Verständnis von verschiedenen sozialen und z. T. spirituellen Rollen in einer Gruppe. Umso problematischer ist es wiederum, wenn sich Nachkommen von Siedler*innen selbst als two-spirited bezeichnen.
  6. Mit cinéma des premières nations wird eine Kollektion betitelt, die anlässlich des 15-jährigen Bestehens zusammengestellt wurde. Auf der Website heißt es: »Travelling studio for training and audiovisual creation of the first nations.« <http://www.wapikoni.ca/home> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  7. Dass Souveränität der Medienproduktion nicht heißt, frei von Machtstrukturen und Fremdbildern zu sein, wurde vielfach in der postkolonialen Theorie argumentiert, z. B. von Rey Chow mit ihrem Begriff der Fabulation: »Film as Ethnography; or, Translation between Cultures in the Postcolonial World«, in The Rey Chow Reader, hg. v. Paul Bowman (New York: Columbia University Press, 2010), S. 148–71.
  8. Projekte, die sich auf Selbstrepräsentation fokussieren, können sich natürlich nicht vollends von internalisierten Fremdbildern, die auch auf sich selbst angewendet werden, befreien. Die Souveränität am eigenen Bild kann so vielfach auch als Durcharbeiten dieser Fremdzuschreibungen verstanden werden. Dieser Prozess verbindet Fremd- und Selbstrepräsentation, die einander durchdringen. Weiter unten gehe ich daher auch auf ein Beispiel ein, das den Prozess einer kreativen Aneignung verdeutlicht, indem verschiedene Medienformen als eine Art der Bricolage verbunden werden.
  9. Siehe das Profil für Réal Junior Leblanc auf den Webseiten von Wapikoni Mobile <http://www.wapikoni.ca/filmmakers/real-junior-leblanc> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  10. Auf der Website heißt es: »Since its inception, 5,000 participants were trained or initiated to documentary film or musical recording; 300 to 500 new participants each year.« <http://www.wapikoni.ca/about/who-are-we/wapikoni-in-brief> [2. Juni 2021].
  11. Vgl. Johannes Fabian, Time and the Other: How Anthropology Makes its Object (New York: Columbia University Press, 1983).
  12. Vgl. auch zur Idee der Infrastruktur als nachhaltige Zusammenarbeit durch Filmprojekte Sven Seibel, »Die Kamera übergeben. Montage und kollaboratives Filmemachen in Les Sauteurs«, in Cutting Egde! Aktuelle Positionen der Filmmontage, hg. v. Martin Doll (Berlin: Bertz + Fischer, 2019), S. 157–85.
  13. Allerdings stehen bei Challenge for Change viel stärker Kollektive im Vordergrund, die repräsentiert werden und die kollaborativ in Gruppen arbeiten. Wapikoni Mobile hingegen ist durch die Autor*innenschaft auch kritisch als Technik der Individualisierung oder Modularisierung zu beschreiben, die sich selbstdokumentarischen Praktiken verschrieben hat. Wie ich weiter unten argumentieren möchte, entstehen daraus aber andere Individuationen und auch individualisierende Regime des Selbst können befragt werden.
  14. These Are my People…, Regie: Roy Daniels, Willie Dunn, Michael Kanentakeron Mitchell, Barbara Wilson (National Film Board of Canada, 1969); Noel Starblanket, »A Voice for Canadian Indians: An Indian Film Crew«, in Challenge for Change: Activist Documentary at the National Film Board of Canada, hg. v. Thomas Waugh, Michael Brendan Baker und Ezra Winton (Montréal und Kingston: McGill-Queen’s University Press, 2010), S. 38–40.
  15. Siehe hierzu Freya Schiwy, die in ihrer Monographie lateinamerikanische indigene Filmkollektive entlang von Begriffen epistemischer Dekolonisierung beschreibt. Der Begriff der Netzwerkbildung spielt hier eine privilegierte Rolle zum panindigenen Austausch. Freya Schiwy, Indianizing Film: Decolonization, the Andes, and the Question of Technology (New Brunswick, NJ: Rutgers University Press, 2009), S. 46.
  16. Eine Ausbildung im Bereich Film in den Workshops tradiert natürlich bestimmte Erwartungen und Normen bezüglich des Mediums Films und ist nicht wertfrei zu verstehen. Hier geht es aus meiner Sicht um die Vermittlung der Möglichkeit, sich auch kritisch mit Medien- und Filmkultur auseinanderzusetzen – vor allem aber zunächst diese erst einmal durch die eigene Perspektive und kulturelle Verortung zu bereichern.
  17. Vgl. Zoë Druick, »Meeting at the Poverty Line: Government Policy, Social Work, and Media Activism in the Challenge for Change Project«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 337–53, hier S. 345.
  18. Billy Crane Moves Away, Regie: Colin Low (National Film Board of Canada, 1967). Vgl. Druick, »Meeting at the Poverty Line«, S. 344.
  19. The Children of Fogo Island, Regie: Colin Low (National Film Board of Canada, 1967).
  20. Vgl. Druick, »Meeting at the Poverty Line«, S. 343.
  21. The Things I Cannot Change, Regie: Tanya Ballantyne (National Film Board of Canada, 1967).
  22. Armut wird außerdem in ein kulturelles Paradigma eingeordnet. Es erscheint aus heutiger Sicht u. a. als Dokument des Übergangs in die Dienstleistungsgesellschaft, bei der etwa die Fischerei massiv umstrukturiert wird, wie es in Bezug auf Labrador mit den Fogofilmen thematisiert wurde.
  23. Marit Kathryn Corneil, »Winds and Things: Towards a Reassessment of the Challenge for Change/Société nouvelle Legacy«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 388–403, hier S. 399.
  24. VTR St-Jacques, Regie: Bonnie Sherr Klein (National Film Board of Canada, 1969).
  25. Druick, »Meeting at the Poverty Line«, S. 351.
  26. Cree Hunters of Mistassini, Regie: Tony Lanzelo und Boyce Richardson (National Film Board of Canada, 1974); You Are on Indian Land, Regie: Michael Kanentakeron Mitchell (National Film Board of Canada, 1969).
  27. The Most Unprotected Girl, Regie: Jerilynn Webster (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/the-most-unprotected-girl> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  28. My Box, Regie: Allison Coon-Come (Wapikoni Mobile, 2010) <http://www.wapikoni.ca/movies/my-box> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  29. Just Merrill, Regie: Merrill Lemaigre (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/just-merrill> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  30. Blocus 138 – La Résistance Innue, Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2012) <http://www.wapikoni.ca/films/blocus-138-la-resistance-innue> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  31. Innu Aiminan (Speak To Us In Innu), Regie: Lise-André Fontaine (Wapikoni Mobile, 2013) <http://www.wapikoni.ca/movies/innu-aiminan> [Zugriff: 2. Juni 2021]; vgl. auch Nutshimiu-Aimun (The Language of the Land), Regie: Shanice Mollen-Picard und Noëlla Mestokosho (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/nutshimiu-aimun-the-language-of-the-land> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  32. So wird an Filmschulen in Québec nicht nur anglophone, sondern auch frankophone und First Nations-Filmkultur unterrichtet.
  33. Pour la suite du monde, Regie: Pierre Perrault und Michel Brault (National Film Board of Canada, 1963).
  34. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, übers. v. Klaus Englert (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1991), Kap. vi: »Die Mächte des Falschen«, S. 168–204, hier S. 201.
  35. Wirtschaftliche Problematiken von frankophonen Kanadier*innen dauern z. T. bis heute an und spiegeln sich stark im Stadt-Land-Gefälle sowie innerhalb der Städte, in denen anglophone Stadtteile zumeist von der oberen Mittelklasse bewohnt werden.
  36. Premierminister Justin Trudeau hat sich 2017 für diese Dekulturalisierungen und gezielten Traumatisierungen von Individuen und Kollektiven entschuldigt, sein Vorgänger Stephen Harper offiziell erst 2008.
  37. The Ballad of Crowfoot, Regie: Willie Dunn (National Film Board of Canada, 1968).
  38. L’enfance déracinée (Uprooted Generation), Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2013) <http://www.wapikoni.ca/movies/uprooted-generation> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  39. Barry Barclay, »Celebrating Fourth Cinema«, Illusions, 35 (2003), S. 7–11; ders., »An Open Letter to John Barnett«, Spectator, 23.1 (2003), S. 33–36. Der Filmemacher und Māori Barclay führt im Anschluss an den Begriff Drittes Kino den Begriff des Vierten Kinos ein. Barclay selbst plädiert im Anschluss an das Dritte Kino, das vor allem in Lateinamerika geprägt wurde, für ein nicht nur sich vom Autor*innenfilm und vom Hollywoodkino abgrenzendes Drittes Kino, sondern ein indigenes Kino. Vgl. zum Dritten Kino Fernando E. Solanas und Octavio Getino, »Towards a Third Cinema: Notes and Experiences for the Development of a Cinema of Liberation in the Third World«, in New Latin American Cinema, hg. v. Michael T. Martin, 2 Bde. (Detroit, MI: Wayne State University Press, 1997), i: Theories, Practices, and Transcontinental Articulations, S. 33–58. Barclay grenzt im Begriff Viertes Kino zudem die Aneignung indigener Narrationen und Themen durch nichtindigene Filmschaffende von Filmen ab, die von indigenen Filmemacher*innen für indigenes Publikum gemacht wurden. Sein negatives Beispiel ist Whale Rider, Regie: Niki Caro (South Pacific Pictures, ApolloMedia, Pandora 2002), der mit Māori-Schauspieler*innen arbeitet, aber ein Projekt überwiegend weißer Menschen ist, die sich die Geschichte kommerziell angeeignet haben.
  40. Vgl. Adam Szymanski, »Minor Cinemas of Melancholy and Therapy« (unveröffentlichte Dissertation, Concordia University, 2017), Kapitel 4 »Healing and Decolonization«, S. 212–36 <https://spectrum.library.concordia.ca/982919/2/Szymanski_PhD_F2017.pdf> [Zugriff: 2. Juni 2021]. Szymanski zeigt hier am Beispiel von Kanakan-Balintagos (Auraeus Solito) Busong (Palawan Fate) (2011), wie Film nicht nur Heilung zeigt, sondern für kolonisierte Gruppen Heilung bedeuten kann. Wie ich es hier tue, spricht Szymanski dem Film eine performative Kraft zu. Ich betone jedoch die Transformationen und nicht so sehr eine Bewahrung von Kultur. Beides kann nicht getrennt werden: Dies sagt der Begriff Fabulation von Deleuze, in welchem Transformation und Anknüpfen an die eigene Kultur und Geschichte verbunden werden, ein Begriff, auf den Szymanski sich ebenfalls auf produktive Weise bezieht.
  41. Zur Rolle von indigenen Medienproduktion schreibt Faye Ginsburg: »I am proposing that when other forms are no longer effective, indigenous media offers a possible means – social, cultural, and political – for reproducing and transforming cultural identity among people who have experienced massive political, geographic, and economic disruption.« Siehe Faye Ginsburg, »Mediating Culture: Indigenous Media, Ethnographic Film, and the Production of Identity«, in Fields of Vision: Essays in Film Studies, Visual Anthropology, and Photography, hg. v. Leslie Devereaux und Roger Hillman (Berkeley: University of California Press, 1995), S. 256–91, hier S. 266. Im Gegensatz zu dem Konzept der Identität schlage ich hier das die Prozessualität und Medienkulturen noch stärker betonende der Individuation vor.
  42. Vgl. zu dieser Problematik Sven Seibel, »Vom ›giving voice‹ zur ›audibility‹, Bedingungen und Praktiken der Vernehmbarkeit«, Zeitschrift für Medienwissenschaft, 11.2 (2019), S. 193–99.
  43. Dorothy Todd Hénaut und Bonnie Sherr Klein, »In the Hands of Citizens: A Video Report [1969]«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 24–37, hier S. 30.
  44. Fernand Dansereau, »Saint-Jérôme: The Experience of a Filmmaker as Social Animator [1968]«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 34–37, hier S. 37.
  45. Vgl. Deleuze, Das Zeit-Bild; Deleuze, »Die Fürsprecher«, in ders., Unterhandlungen 19721990, übers. v. Gustav Roßler (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993), S. 175–92.
  46. Deleuze, Das Zeit-Bild, S. 201.
  47. Deleuze, »Die Fürsprecher«, S. 182.
  48. So heißt ein weiterer kurzer Text auch »Les Intercesseurs«, im Englischen übersetzt als »The Mediators«, im Deutschen etwas unglücklich, da paternalistisch klingend, als »Die Fürsprecher« übersetzt.
  49. Während sich Deleuze auf das Dritte Kino bezieht, sind die hier betrachteten Filme von Wapikoni Mobile Filme des Vierten Kinos.
  50. Simondon, »Das Individuum und seine Genese«, S. 33.
  51. Z. B. Ma Connexion (My Connection), Regie: Myrann Newashish (Wapikoni Mobile, 2016) <http://www.wapikoni.ca/movies/my-connection> [Zugriff: 2. Juni 2021]; Nanameshkueu (Earthquake), Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2010) <http://www.wapikoni.ca/movies/earthquake-nanameshkueu> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  52. Ich entlehne diesen Begriff Gilles Deleuze und Félix Guattari, Was ist Philosophie?, übers. v. Bernd Schwibs und Joseph Vogl (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2000), S. 220.
  53. Renato Sztutman, »The Camera Is my Hunting Weapon: The Poetics of Réal J. Leblanc, Innu Filmmaker (Dossier Intersecting Eyes)«, GIS – Gesture, Image and Sound – Anthropology Journal, 3.1 (2018), S. 258–77, hier S. 267.
  54. Ebd., S. 259 und 273. Vgl. auch Isabelle Stengers, Cosmopolitics, übers. v. Robert Bononno, 2 Bde. (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2010–11), i (2010); dies., In Catastrophic Times: Resisting the Coming Barbarism (London: Open Humanities Press, 2015) <http://www.openhumanitiespress.org/books/titles/in-catastrophic-times/> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  55. Muriel Combes hat zentral die Bedeutung dieses Begriffs in der Philosophie Simondons herausgearbeitet. Muriel Combes, Gilbert Simondon and the Philosophy of the Transindividual, übers. v. Thomas LaMarre (Cambridge, MA: MIT Press, 2013).
  56. Gilles Deleuze, »Die Dinge aufbrechen, die Worte aufbrechen«, in ders. Unterhandlungen, S. 134–135.
  57. Déborah Danowski und Eduardo Viveiros de Castro, In welcher Welt leben? Ein Versuch über die Angst vor dem Ende, übers. v. Ulrich van Loyen und Clemens van Loyen (Berlin: Matthes & Seitz, 2019).
  58. Vgl. Ma Connexion, Regie: Myrann Newashish (Wapikoni Mobile, 2016).
  59. Gilles Deleuze, »Gilbert Simondon, das Individuum und seine physikobiologische Genese«, in ders., Die einsame Insel. Texte und Gespräche 1953–1974, hg. v. David Lapoujade, übers. v. Eva Moldenhauer (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003) S. 127–32.
  60. Terence Turner, »Representation, Politics, and Cultural Imagination in Indigenous Video: General Points and Kayapo Examples«, in Media Worlds: Anthropology on New Terrain, hg. v. Faye Ginsburg, Lila Abu-Lughod und Brian Larkin (Berkeley: University of California Press, 2002), S. 75–89, hier S. 84.
  61. Faye Ginsburg, »Indigenous Media: Faustian Contract or Global Village?«, Cultural Anthropology, 6.1 (1991), S. 92–112, hier S. 105.
  62. Ebd.
  63. Ebd.
  64. Vgl. Rey Chow, »Film as Ethnography«.
  65. Wie Rey Chow argumentiert, ist dies auch als Spiegelung der Prozesse der Kommodifizierung deutbar in ihrem etwas anders gelagerten Fabulationsbegriff; vgl. ebd.
  66. Jordan Gordon‘s Guide to Kuujjuaq, Regie: Jordan Gordon (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/jordan-gordons-guide-to-kuujjuaq> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  67. Cribs (MTV Productions, 2000–).
  68. Vgl. Schiwy, Indianizing Film; Julia Bee, »Perspektivismus und O Mestre e o Divino – koloniale Interferenzen, mediale Subjektivierungen und Filmkosmologien«, in Medien und Critical Race Theory, hg. v. Ivo Ritzer und Irina Gradinari (Berlin: Bertz + Fischer, im Erscheinen).
  69. Simondon, »Das Individuum und seine Genese«, S. 45, Hervorhebung im Original.
  70. Vgl. Athena Athanasiou und Judith Butler, Die Macht der Enteigneten. Das Performative im Politischen, übers. v. Thomas Atzert (Zürich: Diaphanes, 2014). Butler entwirft auch eine Theorie der sozialen Infrastruktur, die an die in diesem Text vorgebrachten Argumente unmittelbar anschließt. Vgl. Judith Butler, Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung, übers. v. Frank Born (Berlin: Suhrkamp, 2018).
  71. »Das Band zwischen Mensch und Welt ist zerrissen. Folglich muss dieses Band zum Gegenstand des Glaubens werden.« Siehe Deleuze, Das Zeit-Bild, S. 224.
  72. Félix Guattari, »Die Couch des Armen«, in ders., Die Couch des Armen. Die Kinotexte in der Diskussion, übers. v. Hans-Joachim Metzger, hg. v. Aljoscha Weskott, Nicolas Siepen, Susanne Leeb, Clemens Krümmel und Helmut Draxler (Berlin: b_books, 2011), S. 7–26.
  73. Auch hier noch einmal der Hinweis auf Adam Szymanski, »Minor Cinemas of Melancholy and Therapy«, der Film und Therapie eng zusammendenkt.
  74. Der Unterstrich deutet auf die Verbundenheit und Nichttrennbarkeit beider Bereiche hin.
  75. Andrew Goffey, »Translator’s Introduction«, in Félix Guattari, Lines of Flight: For Another World of Possibilities, übers. v. Andrew Goffey (London: Bloomsbury, 2015), S. ix–xvi, hier S. xii; Barbara Glowczewski, Desert Dreamers: With the Warlpiri People of Australia, übers. v. Paul Buck und Catherine Petit (Minneapolis, MN: Univocal, 2016).

Quellenangaben

Bibliografie

  1. Athanasiou, Athena und Judith Butler, Die Macht der Enteigneten. Das Performative im Politischen, übers. v. Thomas Atzert (Zürich: Diaphanes, 2014)
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  3. »Celebrating Fourth Cinema«, Illusions, 35 (2003), S. 7–11
  4. Bee, Julia, »Perspektivismus und O Mestre e o Divino – koloniale Interferenzen, mediale Subjektivierungen und Filmkosmologien«, in Medien und Critical Race Theory, hg. v. Ivo Ritzer und Irina Gradinari (Berlin: Bertz + Fischer, im Erscheinen)
  5. Butler, Judith, Anmerkungen zu einer performativen Theorie der Versammlung, übers. v. Frank Born (Berlin: Suhrkamp, 2018)
  6. Chow, Rey, »Film as Ethnography; or, Translation between Cultures in the Postcolonial World«, in The Rey Chow Reader, hg. v. Paul Bowman (New York: Columbia University Press, 2010), S. 148–71 <https://doi.org/10.7312/bowm14994-012>
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  10. Dansereau, Fernand, »Saint-Jérôme: The Experience of a Filmmaker as Social Animator [1968]«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 34–37
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  12. Deleuze, Gilles, »Die Dinge aufbrechen, die Worte aufbrechen«, in ders., Unterhandlungen, S. 121–35
  13. »Die Fürsprecher«, in ders., Unterhandlungen, S. 175–92
  14. »Gilbert Simondon, das Individuum und seine physikobiologische Genese«, in ders., Die einsame Insel. Texte und Gespräche 1953–1974, hg. v. David Lapoujade, übers. v. Eva Moldenhauer (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003), S. 127–32
  15. Unterhandlungen 19721990, übers. v. Gustav Roßler (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993)
  16. Das Zeit-Bild. Kino 2, übers. v. Klaus Englert (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1991)
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  21. Glowczewski, Barbara, Desert Dreamers: With the Warlpiri People of Australia, übers. v. Paul Buck und Catherine Petit (Minneapolis, MN: Univocal, 2016)
  22. Guattari, Félix, »Die Couch des Armen«, in Die Couch des Armen. Die Kinotexte in der Diskussion, hg. v. Aljoscha Weskott, Nicolas Siepen, Susanne Leeb, Clemens Krümmel und Helmut Draxler, übers. v. Hans-Joachim Metzger (Berlin: b_books, 2011), S. 7–26
  23. Lines of Flight: For Another World of Possibilities, übers. v. Andrew Goffey (London: Bloomsbury, 2015)
  24. Hénaut, Dorothy Todd und Bonnie Sherr Klein, »In the Hands of Citizens: A Video Report [1969]«, in Challenge for Change, hg. v. Waugh, Baker und Winton, S. 24–37
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  29. Individuation in Light of Notions of Form and Information, übers. v. Taylor Adkins (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2020)
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  32. Stengers, Isabelle, Cosmopolitics, übers. v. Robert Bononno, 2 Bde. (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2010–11), i (2010)
  33. In Catastrophic Times: Resisting the Coming Barbarism (London: Open Humanities Press, 2015) <http://www.openhumanitiespress.org/books/titles/in-catastrophic-times/> [Zugriff: 1. Februar 2020]
  34. Sztutman, Renato, »The Camera Is my Hunting Weapon: The Poetics of Réal J. Leblanc, Innu Filmmaker«, Dossier Intersecting Gazes, Gesture Image Sound, 3.1 (2018), S. 258–77 <https://doi.org/10.11606/issn.2525-3123.gis.2018.146013>
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  36. Turner, Terence, »Representation, Politics, and Cultural Imagination in Indigenous Video: General Points and Kayapo Examples«, in Media Worlds: Anthropology on New Terrain, hg. v. Faye Ginsburg, Lila Abu-Lughod und Brian Larkin (Berkeley: University of California Press, 2002), S. 75–89
  37. Waugh, Thomas, Michael Brendan Baker und Ezra Winton (Hg.), Challenge for Change: Activist Documentary at the National Film Board of Canada (Montréal und Kingston: McGill-Queen’s University Press, 2010)

Filmografie

  1. The Ballad of Crowfoot, Regie: Willie Dunn (National Film Board of Canada, 1968)
  2. Billy Crane Moves Away, Regie: Colin Low (National Film Board of Canada, 1967)
  3. Blocus 138 – La Résistance Innue, Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2012) <http://www.wapikoni.ca/films/blocus-138-la-resistance-innue> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  4. Busong (Palawan Fate), Regie: Kanakan-Balintagos (Auraeus Solito) (Solito Arts, 2011)
  5. The Children of Fogo Island, Regie: Colin Low (National Film Board of Canada, 1967)
  6. Cree Hunters of Mistassini, Regie: Tony Lanzelo, Boyce Richardson (National Film Board of Canada, 1974)
  7. Cribs (MTV Productions, 2000–)
  8. Innu Aiminan (Speak to us in Innu), Regie: Lise-André Fontaine (Wapikoni Mobile, 2013) <http://www.wapikoni.ca/movies/innu-aiminan> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  9. Jordan Gordon’s Guide to Kuujjuaq, Regie: Jordan Gordon (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/jordan-gordons-guide-to-kuujjuaq> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  10. Just Merrill, Regie: Merrill Lemaigre (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/just-merrill> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  11. L’Enfance Déracinée (Uprooted Generation), Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2013) <http://www.wapikoni.ca/movies/uprooted-generation> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  12. Ma Connexion (My Connection), Regie: Myrann Newashish (Wapikoni Mobile, 2016) <http://www.wapikoni.ca/movies/my-connection> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  13. The Most Unprotected Girl, Regie: Jerilynn Webster (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/the-most-unprotected-girl> [Zugriff: 2. Juni 2021].
  14. My Box, Regie: Allison Coon-Come (Wapikoni Mobile, 2010) <http://www.wapikoni.ca/movies/my-box> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  15. Nanameshkueu (Earthquake), Regie: Réal Junior Leblanc (Wapikoni Mobile, 2010) <http://www.wapikoni.ca/movies/earthquake-nanameshkueu> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  16. Niish Manidoowag (Two Spirited Beings), Regie: Debbie S. Mishibinijima (Wapikoni Mobile, 2017) <http://www.wapikoni.ca/movies/niish-manidoowag-two-spirited-beings> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  17. Nutshimiu-Aimun (The Language of the Land), Regie: Shanice Mollen-Picard und Noëlla Mestokosho (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/nutshimiu-aimun-the-language-of-the-land> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  18. Pour la suite du monde, Regie: Pierre Perrault, Michel Brault (National Film Board of Canada, 1963)
  19. These Are my People…, Regie: Roy Daniels, Willie Dunn, Michael Kanentakeron Mitchell, Barbara Wilson (National Film Board of Canada, 1969)
  20. The Things I Cannot Change, Regie: Tanya Ballantyne (National Film Board of Canada, 1967)
  21. VTR St-Jacques, Regie: Bonnie Sherr Klein (National Film Board of Canada, 1969)
  22. Walk with my Spirits, Regie: Tyler Jacobs (Wapikoni Mobile, 2018) <http://www.wapikoni.ca/movies/walk-with-my-spirits> [Zugriff: 2. Juni 2021]
  23. Whale Rider, Regie: Niki Caro (South Pacific Pictures, ApolloMedia, Pandora, 2002)
  24. You Are on Indian Land, Regie: Michael Kanentakeron Mitchell (National Film Board of Canada, 1969)